Warum der Sprachkanal im Kundenservice des digitalen Zeitalters noch lange nicht tot ist! |
Wie erreicht man Menschen am schnellsten? Gar nicht so einfach zu beantworten. Textbasierte Kanäle werden immer häufiger als der Kanal der Wahl genutzt und bieten Automatisierungsmöglichkeiten, weshalb sie oftmals als „effektiver“ gelten als das Telefon. Aber der Klick auf „Senden“ kann nicht gleichgestellt werden mit dem Erreichen der Person, an die die Nachricht gerichtet ist. Kann also ein Unternehmen auf den „veralteten“ Kontaktkanal Telefon verzichten? Ist es tatsächlich ein Konzept, den Sprachkanal aus dem Kundenservice zu eliminieren, weil er vielleicht zu teuer und zu aufwendig ist? Das Telefon ist, entgegen aller Erwartungen und Prognosen, nicht aus der Welt des Kundenservice und der Kundenbeziehungen wegzudenken, sondern gewinnt sogar mit den Fortschritten in der digitalen Technologie gegenüber modernen, textbasierten Kanälen eine neue Bedeutung. Die Effizienz des Kundenservice nur unter dem Gesichtspunkt der Produktivität und nach quantitativen Kriterien zu beurteilen, ist viel zu kurz gedacht. Nach wie vor erwarten Kunden, dass Ihr Anliegen schnell und effizient bearbeitet wird, bestenfalls lässt sich das gesamte Anliegen in nur einem kurzen, freundlichen Telefonat klären. Lag in 2017 lt. einer Benchmarkstudie die Kompetenz eines Kundenberaters noch als wichtigster Aspekt auf Platz 1 und die Freundlichkeit auf Platz 5, so liegt heute die Freundlichkeit ganz vorn, gefolgt von Zuverlässigkeit und Kompetenz. Hinzu kommt etwas ganz „Urmenschliches“: Die Stimme! Die besondere Ausdruckskraft der menschlichen Stimme sollte nicht unterschätzt werden: Die menschliche Stimme überbringt viele Signale, Emotionen und implizite Botschaften! Sie geht weit über die bloße gesprochene und sachliche Bedeutung von Worten hinaus. Je nachdem, wie es uns geht, ist der Stimmklang gepresst, angespannt oder entspannt und locker. Die Stimme eines Menschen ist sehr individuell und Teil seiner Persönlichkeit. Gesprochene Sprache ist die primäre Kommunikationsform des Menschen und zeichnet sich aus durch freie Formulierung und die Spontaneität in der Sprechsituation. Kein Wunder also, dass Kunden das Telefon neben der Option „Face-to-Face“ nach wie vor als effektivste Möglichkeit sehen, mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten, um ihr Anliegen direkt, schnell und ergebnisorientiert zu lösen.
Drei gute Gründe für den Einsatz von Sprache in der Kundenbeziehung „Die menschliche Stimme enthält eine erstaunliche Anzahl von Signalen: – Boris Cyrulnik, Les Nourritures affectives (1993) Der natürlichste Kanal für Ihre Kunden ist Sprache Der Mensch spricht. Und so „digital“ die Stimme in den letzten zwanzig Jahren auch geworden ist, sie ist von klein auf in Form von gesprochener Sprache das natürlichste Mittel des Ausdrucks und der Kommunikation. Das Telefon ist im Hinblick auf die Menschheitsgeschichte eine relativ neue Erfindung. Erst in den 1950er-Jahren wurde diese außergewöhnliche Erfahrung, mit jemandem zu sprechen, der nicht physisch anwesend ist, für ältere und jüngere Menschen gleichermaßen im Alltag ganz selbstverständlich. Allein diese beiden Faktoren erklären schon weitgehend, trotz der Diversifizierung der von Unternehmen angebotenen Kommunikationskanäle, warum der Sprachkanal der am häufigsten genutzte Kanal zur Kontaktaufnahme mit dem Kundenservice bleibt. Dies zeigen immer wieder Umfragen in den letzten Jahren und insbesondere die von der BVA alljährlich durchgeführte Wahl des „Kundenservice des Jahres“. Allerdings gibt es Verschiebungen in der Art und Weise, wie telefoniert wird. In Frankreich beispielsweise, wo diese Umfrage seit 2011 durchgeführt wird, ist der Anteil der Kunden, die das Telefon zur Kontaktaufnahme mit dem Kundendienst nutzen, tatsächlich deutlich zurückgegangen (von 80 % im Jahr 2011 auf 55 % im Jahr 2020). Aber unter Berücksichtigung der für den Kunden sehr komfortablen „Click-to-Call“-Option lag der Sprachkanal im Jahr 2020 immer noch vor allen anderen Kontaktkanälen. Der Sprachkanal lag sowohl vor den traditionellen Kontaktmöglichkeiten wie Brief oder E-Mails als auch vor den „neuen“ digitalen Kanälen wie Chat etc. Auch wenn letztere zugegebenermaßen auch stark an Bedeutung gewonnen haben und je nach Branche einfach zum modernen Kundenservice dazu gehören. Dieser Trend lässt sich auch in anderen europäischen Ländern beobachten. Spanien und Italien nutzen mit Abstand am häufigsten Telefon und „Click-to-Call“, sind aber auch im Nutzungsverhalten der digitalen Kanäle Spitzenreiter. Also Schluss mit den Mythen und Vorurteilen rund um das Sterben des Sprachkanals!
* Chat, Social Media, Instant Messaging, Chatbot, Smartphone-App Quelle: Observatoire des Services Clients – BVA pour l’Élection du Service Client de l’Année (Marktbeobachtung Kundenservices – BVA für die Auszeichnung „Kundenservice des Jahres“)
Die Informationsdichte der Sprache Die Umfrage des BAV liefert auch eine weitere sehr interessante Erkenntnis: Die traditionellen Kontaktmittel, bei denen sich die Kunden per Stimme äußern können (Telefon und „Face-to-Face“ z. B. am POS oder bei Behörden), sind diejenigen, die sie bevorzugen. Diese werden als die effektivsten Kanäle angesehen, um „die präzisesten und schnellsten Antworten zu erhalten“, um ein Anliegen zu lösen. Der Sprachkanal ist nicht nur für jedermann einfach nutzbar, fast jeder Mensch verfügt über ein Telefon, sondern Sprache ist auch die Kommunikationsart, mit der mehr Informationen in kürzerer Zeit und mit weniger Aufwand vermittelt werden können. Zur Verdeutlichung: Ein Mensch braucht wesentlich mehr Zeit, um etwas niederzuschreiben, als es verbal mitzuteilen. Die durchschnittliche Tippgeschwindigkeit der meisten Menschen beträgt ca. 40 Wörter pro Minute (WPM). Mündlich sind es durchschnittlich zwischen 150 und 200 Wörter pro Minute. Außerdem muss man für das Schreiben eines komplexen Sachverhalts (typischerweise in einer E-Mail) gut erklären können, über ein Mindestmaß an Grammatik- und Rechtschreibkenntnissen verfügen und sich bei der Strukturierung und Darstellung Mühe geben, damit das Anliegen beim Empfänger auch so verstanden wird, wie es gemeint ist. Es ist kein Zufall, dass die E-Mail von Mitarbeiter:innen größerer Unternehmen (62 %) und insbesondere von Führungskräften (69 %) stärker genutzt wird als in der Allgemeinbevölkerung (56 %) [BVA 2020]. Auch dem, der sich mit dem geschriebenen Wort nicht wohlfühlt, ermöglicht ein persönliches Gespräch zwischen den Beteiligten, das Gesagte während des Gesprächs zu klären und zu vertiefen, zwischen Inhalten hin- und herzuspringen, um einander schließlich zu verstehen. Das passiert meist sogar in sehr kurzer Zeit. So ist es auch nicht verwunderlich, dass man in einem persönlichen Gespräch im Allgemeinen viel einfacher und schneller eine zufriedenstellende Lösung für ein Problem findet als über einen asynchronen Kanal wie E-Mail. Zumal jede Nachfrage oder Bitte um Klärung einen erneuten Austausch und damit eine zusätzliche Verzögerung bedeutet. Die Bedeutung der Emotionen der Sprache Über die Bedeutung der gesprochenen Worte hinaus vermittelt die Stimme viele Emotionen, die weit über die implizierten Informationen hinausgehen. Die Stimme vermag die vermittelten Informationen betonen, nuancieren oder dem Inhalt des gesprochenen Wortes sogar widersprechen. Dies wird als Prosodie bezeichnet: Der Tonfall, das Tempo, die Tonhöhe, die Intonation, der Akzent und die unzähligen Modulationen, die die menschliche Stimme annehmen kann, sagen unendlich viel mehr aus als die reine Bedeutung der Worte selbst. Ein erfahrener Kundenberater kann sofort an der Stimme eines Kunden erkennen, in welcher Stimmung er sich befindet. Bereits in den ersten Sekunden eines Gesprächs können viele Sympathien übertragen werden und ein Berater, der gut zuhört, kann seine Sprache und seine eigene Prosodie so anpassen, um den Kunden genau da abzuholen, wo er steht. Die situative Reaktion ist deutlich einfacher möglich als bei der schriftlich-digitalen Kommunikation. Das Telefonat kann somit Situationen schon im Vorfeld entschärfen und entspricht den kommunikativen Bedürfnissen des Menschen.
Die Vorteile von Sprache optimal nutzen Das Telefon als Kanal zeichnet sich zunächst aus durch den einfachen Zugang für jeden, die Informationsdichte und die Bedeutung der Emotionen. Der Sprachkanal ist also unabdingbar, wenn es darum geht, als Unternehmen nah am Kunden sein zu wollen. Sagen doch immerhin 37 % aller der in einer Studie Befragten, dass die Unternehmen künftig erfolgreicher sein werden, die den Kunden ins Zentrum stellen. Somit wird eine exzellente Customer Experience auch in Zukunft zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich Bedeutung behalten. Der Sprachkanal ist aber auch ein äußerst anspruchsvoller Kanal, besonders hinsichtlich der Organisation: Wenn Sie als Unternehmen in Ihrem Kundenservice ein hohes Servicelevel bieten wollen, müssen Sie jederzeit genügend Kundenberater:innen/Agent:innen zur Verfügung haben, um das aufkommende Anrufvolumen unter guten Bedingungen zu bearbeiten. Gute Bedingungen sowohl für die Kunden als auch für die Agent:innen. Die Analyse der Verkehrsdaten aus Ihrer Anrufmanagementlösung sollte es Ihnen ermöglichen, maximale und minimale Auslastungen zu erkennen und Ihre Teams entsprechend optimal einzuteilen. Dies ist die wichtigste Voraussetzung, um sowohl eine Überbesetzung an Berater:innen, die sich schnell als sehr kostspielig erweisen kann, als auch eine Unterbesetzung zu vermeiden, die unweigerlich zu erhöhten Wartezeiten und einem Anstieg unzufriedener Kunden führt.
Unser E-Book „So gelingt eine exzellente Customer Experience“ erklärt, warum der Sprachkanal im Kundenservice keineswegs Geschichte ist, sondern weiterhin ein großer Gewinn für die Unternehmen bleibt oder aber auch zu einem solchen werden kann. Wie? Lesen Sie gern selbst. E-Book-Voix-Downloaden Dörthe Reckhaus, Growth Marketing Manager bei Diabolocom, absolvierte ein BWL Studium mit Schwerpunkt Marketing, war 27 Jahre im Bertelsmann Konzern tätig und ist seit Ende 2017 im Marketing der ContactCenter Branche Zuhause. Privat liebt sie das Reisen, Fotografieren, Lesen, Kunst & Kultur.
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